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Lohnklage: ein Verfahren von 2014 bis 2023
Im 2014 hat ein Psychologe mit der Unterstützung des Kantonalverbands der Zürcher Psycholog:innen (ZüPP) gegen seinen Arbeitgeber, den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst des Kantons Zürich (KJPD), Klage wegen Lohndiskriminierung eingereicht. Der KJPD ist mittlerweile der öffentlich-rechtlichen Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) angegliedert. Der ZüPP und das Netzwerk kantonal angestellter Psycholog:innen setzten sich bereits seit 2009 für gerechte Löhne für Psycholog:innen ein, die beim Kanton Zürich oder seinen öffentlich-rechtlichen Institutionen angestellt sind. Gefordert wurde eine um ein bis zwei Lohnklassen höhere Lohneinreihung, wobei die Verhandlungen mit dem Kanton zu keiner Lösung führten.
Der therapeutisch tätige Psychologe verlangte eine höhere Lohneinstufung, da er im Vergleich zu typisch männlichen Funktionen beim Kanton Zürich wie Ingenieur:in, Steuerkommissär:in oder Revisor:in in einer zu tiefen Lohnklasse eingeteilt sei. Die erste Instanz, der Regierungsrat, stellte zwar Diskriminierungen in den Kriterien Verantwortung und psychische Belastungen bzw. Anforderungen fest, wies die Klage aber trotzdem ab, genauso wie das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Die dagegen eingereichte Beschwerde beim Bundesgericht wurde teilweise gutgeheissen und das Verwaltungsgericht aufgefordert, weitere Abklärungen bezüglich Ausbildung und Erfahrung vorzunehmen. Danach wies das Verwaltungsgericht unser Begehren erneut ab. Auch die dagegen erhobene Beschwerde musste das Bundesgericht teilweise gutheissen, worauf das Verwaltungsgericht wiederum ein abweisendes Urteil fällte.
Mit grosser Enttäuschung haben wir nun das Bundesgerichtsurteil vom 8. März 2023 erhalten, welches die Lohnklage des ZüPP - respektive des klagenden Psychologen - definitiv abweist. Obwohl wir die Diskriminierung glaubhaft gemacht hatten und das Bundesgericht zugesteht, dass einige Unklarheiten auf Seiten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) bestehen, erachtet es die Nicht-Diskriminierung als willkürfrei erwiesen. Vorgängig hat das Bundesgericht die Lohndiskriminierungsbeschwerde des ZüPP zweimal teilweise gutgeheissen und an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur erneuten Beurteilung zurückgewiesen.
Im finalen Urteil des Bundesgerichts wurde nur noch das Kriterium der Ausbildung und Erfahrung mit typisch männlichen Berufen wie Ingenieur:in, Steuerkommissär:in oder Revisor:in verglichen. In diesem Kriterium hatten wir die Diskriminierung glaubhaft gemacht, weshalb die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) beweisen musste, dass trotzdem keine Diskriminierung vorlag. Bezüglich der Kriterien Verantwortung und psychische Belastung sowie Anforderungen galt die Diskriminierung als erwiesen. Dies reichte aber nicht aus für eine höhere Lohneinreihung.
Das Bundesgericht war bereits 2021 zum Schluss gekommen, dass eine mindestens zweijährige Berufserfahrung gemäss dem für die Klage als relevant bezeichneten Stellenprofil für die Tätigkeit des klagenden Psychotherapeuten nicht erforderlich war. Dies entspricht aus unserer Sicht jedoch nicht der Arbeitsrealität und den Anforderungen, welche für die Stelle notwendig sind. Das Bundesgericht hält nun in seinem Urteil fest, dass die Bewertung eine Ermessensfrage ist, in die das Bundesgericht nur dann eingreifen kann, wenn die Bewertung willkürlich oder rechtsungleich oder geschlechtsdiskriminierend erfolgte. Rechtserheblich ist aus Sicht des Bundesgerichts einzig, ob die vom Kanton vorgenommene Einstufung auf geschlechtsdiskriminierende Weise gehandhabt wurde, und dies sei im vorliegenden Fall nicht auszumachen sowie nicht willkürlich erfolgt. Immerhin hielt das Bundesgericht in seinem Urteil im 2020 fest, dass der Beruf der Psycholog:innen mit einem Frauenanteil von mehr als 70% ein typischer Frauenberuf und das Gleichstellungsgesetz dementsprechend anwendbar ist.
Der ZüPP und unsere langjährige Anwältin Bibiane Egg erachten das Urteil aus juristischer Sicht geradezu als skandalös und arrogant in seiner fehlenden Auseinandersetzung mit unseren Argumenten. Das Bundesgericht stützt sein Urteil auf undatierte, unklare und widersprüchliche Stellenprofile, welche die PUK für die Vergleichsberufe eingereicht hatte. Speziell störend ist, dass die gesetzlich geforderte Aus- und Weiterbildung und langjährige Berufserfahrung von Psycholog:innen nicht berücksichtig werden und dass trotz des - gemäss PUK relevanten - Erwerbs des Psychotherapieweiterbildungstitels die Einreihung des Klägers in Lohnklasse 19 als nicht diskriminierend erachtet wurde.
Da sich die Bedingungen der Psychologieberufe in den letzten Jahren stark verändert haben, sind die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem langen gerichtlichen Weg für den ZüPP sehr wichtig, um nachhaltige Verbesserungen insbesondere bei den Anforderungsprofilen von Psychologiestellen zu erreichen. Ein wichtiges Argument liefert dabei das im Gerichtsverfahren verwendete Gutachten der perinnova GmbH von 2017, in welchem festgehalten ist, dass Stellen, die einen Weiterbildungstitel in Psychotherapie erfordern, in die Lohnklasse 20 eingereiht werden müssen, und nicht wie heute in Lohnklasse 19 gehören. Weiter sind die Richtpositionen für die Lohneinreihung der Psychologiestellen im kantonalen Personalrecht veraltet, da sie die seit 2013 gültigen Standards des Psychologieberufgesetzes und deren Konsequenzen für die Anstellung von Psychotherapeut:innen, Neuropsycholog:innen etc. nicht berücksichtigen. Wichtig für eine faire Lohneinreihung ist auch die klare Unterscheidung zwischen Weiterbildungsstellen für Assistenzpsycholog:innen und Stellen für Fachpsycholog:innen mit Weiterbildungstitel mit jeweils unterschiedlichen Stellen- und Anforderungsprofilen. Der ZüPP wird die Arbeit zu den Anstellungsbedingungen in Institutionen weiterführen, nachdem das Projekt wegen den prioritären Arbeiten rund um das Anordnungsmodell im 2022 zurückgestellt wurde.
Alle Etappen der Lohnklage wurden vom ehemaligen ZüPP-Präsidenten André Widmer sowie unserer Anwältin Bibiane Egg mit viel Engagement und Fachwissen betreut. Der ZüPP dankt ihnen und auch dem Kläger Karl Dülli, der bereit war, als Pilotfall zu klagen, für ihren Einsatz. Ohne die Unterstützung unserer Mitglieder und der zahlreichen Spender:innen wäre die Lohnklage zudem auch nicht umsetzbar gewesen, herzlichen Dank!
Der ZüPP und unsere langjährige Anwältin Bibiane Egg erachten das Urteil aus juristischer Sicht geradezu als skandalös und arrogant in seiner fehlenden Auseinandersetzung mit unseren Argumenten. Das Bundesgericht stützt sein Urteil auf undatierte, unklare und widersprüchliche Stellenprofile, welche die PUK für die Vergleichsberufe eingereicht hatte. Speziell störend ist, dass die gesetzlich geforderte Aus- und Weiterbildung und langjährige Berufserfahrung von Psycholog:innen nicht berücksichtig werden und dass trotz des - gemäss PUK relevanten - Erwerbs des Psychotherapieweiterbildungstitels die Einreihung des Klägers in Lohnklasse 19 als nicht diskriminierend erachtet wurde.
Da sich die Bedingungen der Psychologieberufe in den letzten Jahren stark verändert haben, sind die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem langen gerichtlichen Weg - unabhängig von seinem Ende - für den ZüPP sehr wichtig, um in den kommenden Jahren nachhaltige Verbesserungen insbesondere bei den Anforderungsprofilen von Psychologiestellen zu erreichen. Wir fragen uns: Wieso werden gesetzlich geforderte Aus- und Weiterbildung und langjährige Berufserfahrung von Psycholog:innen nicht wie bei anderen Berufen gleich anerkannt?
Das Bundesgericht hat nun in seinem Urteil vom 10. September 2021 die Lohndiskrimierungsbeschwerde eines Psychologen wiederholt ans Zürcher Verwaltungsgericht zur Neubeurteilung zurückgewiesen. Das Bundesgericht hält in seinem Urteil vom fest, dass der Vorwurf der Lohndiskriminierung vom Verwaltungsgericht wiederum nicht geprüft und damit der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Das Bundesgericht führt in seinem Urteil aus, dass der klagende Psychologe eine Lohndiskriminierung bereits unbestrittenermassen glaubhaft gemacht hat und es demnach an der Psychiatrischen Universitätsklinik liegt, den Gegenbeweis dafür zu erbringen, dass die Lohndifferenz auf objektiven Gründen beruhe und sachlich gerechtfertigt sei. Dabei geht es darum zu prüfen, ob eine diskriminierende Lohneinstufung im Vergleich zu typisch männlichen Berufen wie Ingenieur:in, Steuerkommissär:in oder Revisor:in vorliegt. Das Bundesgericht hält insbesondere fest, dass die fragliche Stelle des klagenden Psychologen "ein sehr anspruchsvolles Hochschulstudium voraussetzt, was für die Vergleichsberufe nicht oder zumindest nicht im gleichen Masse gefordert ist".
Auch beim erneuten Bundesgerichtsurteil werden die Gerichtskosten und eine Entschädigung für den beschwerdeführenden Psychologen der Psychiatrischen Universitätsklinik auferlegt.
Es auferlegt der Psychiatrischen Universitätsklinik zudem die Gerichtskosten und eine Entschädigung für den beschwerdeführenden Psychologen.
Der ZüPP ist nicht bereit, das Urteil in dieser Form zu akzeptieren und beschliesst nach Rücksprache mit der FSP Beschwerde beim Bundesgericht einzureichen. Dies wird Mitte Juni gemacht.
Aufgrund der langen Verfahrensdauer der Lohnklage ist es sinnvoll, dass beim Kanton Zürich oder seinen öffentlich-rechtlichen Institutionen angestellte Psycholog:innen einen Verjährungsunterbruch eingeben oder verlängern. Dieser bewirkt, dass auch Lohnforderungen, die weiter als fünf Jahre zurückliegen, bei einem positiven Entscheid noch eingefordert werden können. Zu beachten ist, dass Angestellte oder ehemalige Angestellte der PUK oder der ipw diesen nicht mehr an die Gesundheitsdirektion Zürich richten sollten, sondern direkt an die PUK oder ipw.
Der Regierungsrat lehnt den Rekurs mit Beschluss vom 11. Juli 2018 ab. Er stellt fest, dass Psychologie gemäss Rechtssprechung des Bundesgerichts ein typischer Frauenberuf ist, da 84% der beim Kanton angestellten Psycholog:innen weiblich sind. Er kommt weiter zum Schluss, dass die Bewertung der Funktion der Psycholog:innen in zwei Kriterien, nämlich "Verantwortung" sowie "psychische Belastungen und Anforderungen", zu tief und diskriminierend ist. Dies ändert aber nichts an der Gesamtbewertung und Einreihung der Psycholog:innen mit abgeschlossener Weiterbildung in der Regel in Lohnklasse 19, welche der Regierungsrat für nicht diskriminierend erachtet.
Das vom Kanton angeforderte Gutachten, auf welches der Regierungsrat seinen Entscheid stützt, kommt zum Schluss, dass, nur wo ein Fach- oder Weiterbildungstitel zwingend gefordert wird, eine Höherbewertung von Ausbildung und Erfahrung angezeigt und damit die Einreihung in Lohnklasse 20 gerechtfertigt ist.
Der ZüPP diskutiert den Entscheid ausführlich mit seiner Rechtsanwältin und reicht Mitte September beim Verwaltungsgericht Beschwerde gegen den Regierungsrat ein. Somit wird nun nicht der Kanton bzw. die PUK als betroffene Partei, sondern das Verwaltungsgericht entscheiden.
Der ZüPP kann die Schlussfolgerungen dieses Gutachtens nicht nachvollziehen und entgegnet in seiner Stellungnahme, dass es sich nicht um ein objektives, neutrales Gutachten handelt. Die externe Stelle hat bereits bei den Einreihungen, die der ZüPP anficht, im Auftrag des Kantons mitgewirkt und überprüft somit ihre eigene Arbeit.
Im September legt der Psychologe Rekurs beim Regierungsrat ein. Es wird erneut geltend gemacht, dass die beim Kanton angestellten Psycholog:innen im Vergleich zu verschiedenen neutral oder männlich definierten Berufsgruppen lohnmässig diskriminiert werden. Beispielsweise Funktionen wie Ingenieur:in, Steuerkommisär:in oder Revisor:in werden in eine höhere Lohnklasse eingeteilt.
In der Folge lässt das Projektteam ein arbeitswissenschaftliches Gutachten erstellen. Dieses soll als Grundlage für den Entscheid dienen, ob die Lohnklage eingereicht wird.
Hintergrundinformation: Alle akademischen Berufe sind beim Kanton in die Lohnklassen 16-20 bzw. die leitenden Funktionen in die Klassen 21-23 eingereiht. Bei den Psycholog:innen befinden sich die meisten in Klasse 18 und nur wenige in Klasse 19 und 20, bei anderen Berufsgruppen dagegen sind signifikant mehr in Klasse 19 und 20 eingeteilt. Dies liegt in einer besonders restriktiven Definition der Lohnklasse 20 für Psycholog:innen; im Unterschied zu anderen vergleichbaren Berufsgruppen wird bei diesen eine Leitungs- bzw. Koordinationsfunktion verlangt. Dies führt dazu, dass Psycholog:innen ohne Leitungs- bzw. Koordinationsfunktion nicht in Klasse 20 aufsteigen können und Psycholog:innen mit Leitungsfunktion in bestimmten Fällen, statt in Lohnklasse 21 eigereiht, in Klasse 20 'abgestuft' werden.
Im November reicht die Rechtsanwältin für den dazumals beim KJPD angestellten Psychologen eine Eingabe beim Kanton ein. Gefordert wird eine um ein bis zwei Lohnklassen höhere Lohneinreihung für die Zukunft und die vergangenen fünf Jahre. Es wird geltend gemacht, dass Psycholog:innen im Vergleich zu anderen akademischen Berufsgruppen lohnmässig diskriminiert werden. Grundlage für die Diskriminierungsklage ist, dass Psychologie ein weiblich definierter Beruf ist. Der Einzelfall soll als Pilotfall durchgezogen werden, so dass der Ausgang des Verfahrens auch für die übrigen beim Kanton angestellten Psycholog:innen Gültigkeit hat.
Im Laufe des 2013 erklärt sich eine betroffene Person bereit, stellvertretend für alle kantonal angestellten Psycholog:innen eine Lohnklage einzureichen. Die Rechtsanwältin, die die Aktivitäten bisher beratend begleitete, zeigt sich bereit, die Lohnklage für den ZüPP zusammen mit dem Netzwerk, welches mittlerweile über hundert Personen umfasst, zu führen.
Im Juli führt der Kanton Zürich das revidierte Lohnsystem für die Kantonsangestellten ein. Die Anpassungen führen zu keiner Verbesserung der Situation der Psycholog:innen.